Wie »smart« muss mein »Phone« wirklich sein?

Nach mehr als 14 Jahren treuer Dienste musste ich kürzlich mein altes Mobiltelefon in den Ruhestand schicken. Ich stand vor der Frage, die ich mir all die Jahre erspart hatte: Soll der Nachfolger ein Smartphone sein? Was braucht man wirklich?

Smartphone zeigt Text: Hallo Dummbeutel, Ich bin's, dein Ersatzhirn.
Böse Zungen behaupten ja, dass smarte Geräte vor allem die Dummheit ihrer Besitzer ausgleichen sollen.

Smartphones sind heute ein Quasi-Standard, den niemand mehr hinterfragt. Es wird einfach davon ausgegangen, dass man eines hat. Und nicht nur das – oft wird sogar vorausgesetzt, dass es ein Gerät ist, auf dem die neusten und trendigsten Apps laufen.

Ich beschwere mich über eine versetzte Straßenlaterne, die mir jetzt ins Schlafzimmer leuchtet? »Installieren Sie mal diese App zu Lichtmessung …« Ich will mich auf einer Online-Plattform anmelden? »Installieren Sie mal diese App zur Zwei-Faktor-Autorisierung …« Ich lerne jemanden im Internet kennen? »Hier ist meine Telefonnummer. Schreiben wir auf WhatsApp weiter …«

Zum Glück waren die wenigsten dieser Fälle essentiell, denn mit meinem Siemens MC60, Baujahr 2003, wäre ich da auf keinen grünen Zweig gekommen. Dieses Gerät hatte zwar immerhin schon einen Farbbildschirm und eine Kamera, mit der man Bildchen aus einer Handvoll Pixel schießen kann, aber »App« war 2003 zumindest im Deutschen noch kein Wort.

Winziges, verpixeltes Foto meines ersten Mobiltelefons.
Mein erstes Mobiltelefon, aufgenommen mit der atemberaubenden Kamera meines zweiten Mobiltelefons.

Trotz dieser prähistorischen Ausstattung hatte ich in all den Jahren nie wirklich den Eindruck als würde mir etwas fehlen. Ich hatte deshalb auch schon länger vor, zu diesem Thema zu schreiben und ein Kommentar von Tony T unter meinem letzten Artikel hat mich daran erinnert, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt wäre – denn vor kurzem musste ich meinen antiken Plastik-Bomber in den Ruhestand schicken.

Die letzten Tage meines Siemens MC60

Mein altes Handy – von einem Arbeitskollegen aufgrund des raumfüllenden Vibrationsalarms auch liebevoll »russischer Panzer« genannt – hatte am Ende Probleme mit dem Akku. Aber wenn ich ganz genau bin, hatte es diese Probleme nicht erst am Ende.

Als der Akku vor einigen Jahren kaum noch einen Tag durchhielt, tauschte ich das Original durch einen No-Name-Ersatz aus dem Web. Das dürfte dubiose China-Ware gewesen sein, denn von da an stürzte das Gerät jedes Mal komplett ab, sobald es fertig geladen war. Ich schloss es nur noch in meiner Nähe an die Steckdose an und trennte es immer ehestmöglich wieder davon – ständig in der Angst, dass mir sonst irgendwann die Wohnung abbrennt. Aber immerhin hielt der Akku wieder länger durch und ich Geizkragen hatte ein paar Euro gespart.

In den letzten Monaten erreichte letztendlich aber auch der China-Schrott den gleichen Status, auf dem ich davor schon mit dem Original war. Da musste ich mir die Frage stellen: Sollte ich noch einmal in ein 14 Jahre altes Handy investieren, wenn man heute schon um 20 Euro ein Gerät bekommt, das in jeder Hinsicht überlegen ist? Die Antwort war schnell gefunden.

Mein aufgezwungener Einstieg in die Handy-Welt

Wie ich schon in meinem Artikel über Rufnummern erwähnt habe, war ich schon immer Wenigtelefonierer. Mein erstes Handy musste mir als Jugendlicher sogar aufgezwungen werden.

Erst wollte es mir meine Oma schenken. Sie hatte es davor von einer Nachbarin bekommen, die bei Gewinnspielen regelmäßig an Sachpreise kam, mit denen sie dann nichts anfangen konnte. Als Stubenhocker, der ich war, wusste ich aber ebenso wenig, was ich damit machen sollte, und lehnte dankend ab. Meine Eltern sahen das offenbar anders, nahmen das Ding an und legten es mir daheim nach dem Motto »friss oder stirb – das ist jetzt Deins« auf den Schreibtisch.

Natürlich konnte dieses Gerät aus heutiger Sicht absolut nichts – sogar noch weniger als mein Siemens MC60. »Immerhin kann man auch Textnotizen speichern«, war sinngemäß die erste SMS, die ich damit an meine Mutter schrieb, um ihr zu zeigen, dass ich mich jetzt wunschgemäß mit diesem unnützen Ding beschäftigt hatte. Telefonieren? SMS schreiben? Das brauchte ich Eigenbrötler bestenfalls in homöopathischen Dosen.

Monochrombildschirm meines ersten Handys zeigt Bild eines Papagei und das Wort Mailbox.
Schwarz auf grünlich-grauem Grund – zum Telefonieren und SMS-Schreiben war das vollkommen ausreichend. Die Programmierer meines ersten Handys waren aber offenbar der Meinung, damit auch Bilder darstellen zu müssen.

Dieses erste Gerät wurde nicht sonderlich alt. Das Ergebnis seines qualvollen Verendens war allerdings nur, dass ich zum nächsten Weihnachtsfest mein zweites Handy bekam – eben jenes Siemens MC60, das mich nun über eine Dekade begleitet hat. Der erste Anblick dieses Geräts hatte mich zugegeben etwas irritiert, denn Siemens hatte ich bis dahin nur mit Waschmaschinen in Verbindung gebracht.

Diese Expertise dürfte sich jedenfalls bewährt haben, um einen vernünftigen Schleudergang einzubauen, der die Wände beben lässt. Und auch sonst war das Gerät offenbar ähnlich robust wie alte Nokia-Handys, von denen man ja sagt: »Wenn das Ding auf den Boden fällt, ist anschließend der Boden kaputt.«

Mein zweites Handy zeigt am 11.12.2013 neben einem PC-Kalender eine Datei, die genau 10 Jahre alt ist.
Mein zweites Handy zu seinem zehnten Geburtstag.

Halbwegs zu schätzen lernte ich mein Handy erst, als ich von meinen Eltern ausgezogen war. Denn auch als Wenignutzer ist es doch manchmal notwendig, dass man in seinem Haushalt zumindest ein Telefon hat. Früher war das mal ein Wählscheibenapparat, heute ist es eben ein Mobiltelefon. Aber »smart« braucht daran erst einmal nichts zu sein.

Homöpathische Telefonie

Da ich alles Andere als ein Partytiger bin, hat sich mein Telefon- und SMS-Verbrauch auch nach meinem Auszug in Grenzen gehalten. In der ersten Zeit musste ich nur einmal im Jahr zwanzig Euro an Guthaben aufladen – nicht etwa, weil es erschöpft gewesen wäre, sondern nur, um einer Deaktivierung meiner Nummer wegen Nichtgebrauchs entgegenzuwirken. Heute verbrauche ich im Schnitt maximal fünf Euro im Monat – und das bei einem Anbieter, der euphemistisch ausgedrückt nicht gerade für günstige Preise bekannt ist.

Allein deshalb lag es mir schon immer fern, wie manch anderer alle zwei Jahre 400 Euro im neuesten Smartphone zu versenken. Ich kaufe mir ja auch keinen Porsche, um damit einmal pro Woche wegen zwei Semmeln zum Bäcker zu fahren.

Der berechtigte Einwand wird nun lauten: Ja, aber ein Smartphone ist doch weit mehr als nur Telefon und SMS … und Textnotizen. Da gebe ich auch vollkommen recht. Man muss sich allerdings fragen, welche der unzähligen Funktionen eines Smartphones man wirklich braucht. Fast alle Probleme lassen sich nämlich mit anderen Geräten wesentlich besser lösen.

Akku: Lädst Du noch oder telefonierst Du schon?

Weil ich mein altes Handy wegen Akkuproblemen in den Ruhestand schicken musste, war genau das für mich erst einmal das größte Thema: Mein neues Telefonier-Dings sollte mit einer einzigen Ladung annähernd bis zum Ende aller Tage sein Auskommen finden. Selbst mit intaktem Akku hatte ich in all den Jahren oft mehr Zeit mit Herauskramen, Anstecken, Abstecken und Wegräumen meines Ladekabels verbracht als mit dem eigentlichen Telefonieren und SMS-Schreiben.

Das ist auch schon einer der wesentlichen Punkte, warum ich bisher kein Smartphone gebraucht habe. Was die meisten Leute auf diesen Dingern machen – im Web surfen, E-Mails schreiben, spielen, … – mache ich alles auf einem ganz klassischen Stand-PC mit festem Stromanschluss. Da kann ich mich ganz einer Sache widmen, ohne ständig auf einen Akkustand achten zu müssen – auf Wunsch so lange, bis ich durch Schlafentzug und Thrombose tot vom Sessel falle.

Am liebsten hätte ich deshalb ein Handy gehabt, das sich ebenso wie der E-Book-Reader meiner Träume durch Solarzellen selbst versorgt. Dafür hätte es auch nur einen kleinen, unbeleuchteten Monochrom-Bildschirm haben müssen und ich hätte gerne auf jeden Schnickschnack wie Kamera oder Internet verzichtet. Aber ebenso wie mein Wunsch-E-Book-Reader existiert leider auch dieses Handy nur in meinen Träumen. Also musste ich mich in der öden Wirklichkeit nach einem real existierenden Produkt umsehen.

Wirklich einfache Geräte gibt es im Grunde gar nicht. Selbst das billigste 20-Euro-Handy bei Media Markt hat ein Farbdisplay und eine eingebaute Kamera. Wirklich nützlich ist das in solchen Geräten nicht, weil mit der Bildqualität ohnehin nichts anzufangen ist. Das gibt einem letztendlich nur zu verstehen, dass man einen billigen Abklatsch eines echten Smartphones in der Hand hält.

Smartphones hatten ja nie dadurch geglänzt, auf lange Akkuhaltbarkeit zu setzen. Stattdessen wird jeder technische Fortschritt genutzt, um noch mehr Funktionen in diese Dinger zu stecken und um sie noch einmal einen halben Mikrometer dünner zu machen. Irgendwann wird jemand einen Ansteck-Griff herausbringen, mit dem man sein Smartphone als Küchenmesser verwenden kann.

Es bleibt zumindest die Hoffnung, dass das, was weniger kann, auch weniger Strom verbraucht. Daher hatte ich ernsthaft ein Billigst-Handy in Erwägung gezogen. Letztendlich wollte ich dann aber doch etwas mehr … vor allem mehr Tastatur.

QWERTZ gegen den Terminator

Selbst als jemand, der nicht viel am Handy schreibt, ging es mir am Ende schon gewaltig auf die Nerven, Texte über die neun Ziffertasten mit Mehrfachbelegung eingeben zu müssen. Allein für meinen Nachnamen musste ich zehn Mal drücken, obwohl nur fünf Buchstaben nötig sind.

Es gibt zwar unter der Bezeichnung T9 auch ein System, bei dem man jede Taste nur einmal drückt und das Gerät reimt sich zusammen, was gemeint sein könnte. Aber das ist wohl ein Vorgänger der Science-Fiction-Kampfmaschine T-800 – lediglich dazu geschaffen, die Menschheit ins Verderben zu stürzen. Die Erkennungsrate war unterirdisch, wenn man nicht gerade das Vokabular eines Dreijährigen hatte. Von mir bekam es daher die Bewertung AAA: Ausprobiert, Ausgelacht und Ausgeschaltet.

Zifferntasten des Siemens MC60.
Mehrfach belegte Zifferntasten am Siemens MC60. Man hat die Wahl, ob man sich den Finger wund tippt oder das Gerät irgendetwas zusammenfantasieren soll.

Auch wenn ich bisher nie ein eigenes Smartphone hatte, verirrte sich in den letzten Jahren doch das eine oder andere Gerät vorübergehend in meine Hände. Als Informatikstudent musste ich sogar einmal eine App für Android programmieren. Ich bin also zumindest diesmal bestimmt kein Miesepeter, der über Dinge schimpft, die er nie probiert hat.

Und gerade aus dieser Erfahrung heraus weiß ich die bessere Texteingabe auf Smartphones zu schätzen. Eine volle QWERTZ-Tastatur – also so eine Tastatur mit allen Buchstaben des Alphabets – ist schon Gold wert, auch wenn es nur virtuelle Tasten auf einem Touchscreen sind. Auch die Textvorschläge funktionierten auf meinem geliehenen Android-Gerät viel besser als bei T9 – vor allem auch, weil sie einem nicht aufgezwungen sondern nur vorgeschlagen werden.

Allerdings empfand ich die Textvorschläge auf diesem Touchscreen-Gerät auch als essentiell. Ohne haptische Tasten fühlt sich das Schreiben wahnsinnig schwammig an und ich vertippe mich unverhältnismäßig oft. Da bin ich heilfroh, wenn ich lange Wörter nicht selbst ausschreiben muss.

Eine noch bessere Lösung ist für mich deshalb ein Gerät mit einer vollen, physischen Tastatur. Neben meinem Privathandy habe ich schon seit vielen Jahren als Firmenhandy ein Bodenbrecher-Nokia mit richtiger QWERTZ-Tastatur und auf keinem anderen Mobiltelefon konnte ich jemals so gut schreiben. Trotz der winzigen Tasten spürt man unter dem Finger sehr genau, wo man gerade drückt und nicht jeder Kontakt wird gleich als Tastendruck gewertet. Das kann kein Touchscreen bieten.

Nachdem dieses Nokia-Modell auch schon zehn Jahre auf dem Buckel hat, ist es aber nicht unbedingt eine empfehlenswerte Erneuerung gegenüber meinem 14 Jahre alten Siemens-Handy. Und es ist erstaunlich, wie schwer halbwegs aktuelle Geräte mit solchen Tastaturen zu bekommen sind.

Viele Leute denken, dass sich einfach das Beste durchgesetzt hat und es deshalb fast nur noch Touchscreen-Handys gibt. Wahrscheinlich hat das auch einen wahren Kern: Es ist vor allem das Beste für die Hersteller. Einen Bildschirm brauchen sie ohnehin und wenn der gleichzeitig die einzige Eingabemethode ist, spart man sich einen Haufen Bauteile.

Wenn man dem gutgläubigen Konsumenten diese Einsparung dann noch als tolle Innovation verkauft, ist das in der Tat das Beste … für die eigene Gewinnspanne. Ich habe in meinem Umfeld genug Touchscreen-Kritiker gesehen, aber irgendwann hatten sie auf herkömmlichem Weg einfach nichts Anderes mehr bekommen.

Ein Hersteller, der vor allem für Mobiltelefone mit QWERTZ-Tastatur bekannt ist, wollte es vor wenigen Jahren noch einmal wissen und hatte ein paar neue Geräte herausgegeben. Ein solches habe ich mir jetzt gekauft: ein Blackberry Classic. Zum damaligen Einführungspreis von 429 Euro wäre das meilenweit von dem entfernt gewesen, was mir ein Mobiltelefon wert ist. Aber dieser Tage habe ich ein gebrauchtes Gerät bei AfB inklusive drei Jahren Garantie für gerade einmal 98 Euro bekommen. Da hat der Geizkragen in mir vor Freude Purzelbäume geschlagen.

3 Handys: Trium, Siemens MC60, Blackberry Classic.
Alle meine privaten Handys vom ersten bis zum heutigen.

Kamera: für Schmierenkomödien

Neben der vollwertigen Tastatur war für mich auch die Kamera ein Grund, mir mehr als nur ein Billigtelefon zu kaufen. Aber nicht etwa, weil ich Selfies vor den Gemüsekonserven im Supermarkt schießen will, sondern vor allem für WIESOSO?. In den letzten Jahren bin ich unterwegs immer wieder über Dinge gestolpert, die brauchbare Fotos für meinen Blog abgegeben hätten: ein falsch aufgestelltes Verkehrsschild, ein schlecht geplantes Gebäude, eine unflexible Gegensprechanlage, … und ich hatte nie eine brauchbare Kamera dabei.

Grundsätzlich habe ich mir von einer Smartphone-Kamera keine Wunder erwartet. Dass in eine Telefonflunder keine ausgefeilte Optik passt, war mir klar und ich bin fotografisch ohnehin ein Pfuscher. Die meisten Fotos, die ich online stelle, sind bis zur Unkenntlichkeit am PC nachbearbeitet.

Nichtsdestotrotz fand ich das erste Foto mit meinem Blackberry etwas ernüchternd. Das sah aus als hätte ich über Nacht vergessen meine Kontaktlinsen aus den Augen zu nehmen – als wäre eine Art Schleier vor dem Bild, der alles ungleichmäßig verschwommen macht.

Das Gerät kurz umgedreht, war mir auch gleich klar, woher das kam: Ich hatte verschmierte Fingerabdrücke auf der Linse. Warum zum Teufel war das nie irgendwo ein Thema? Alle Welt spricht darüber, dass das Smartphone immer öfters eine separate Kamera überflüssig macht, aber wer hat je thematisiert, dass man bei normalem Telefongebrauch den ganzen Tag mit fettigen Fingern über die Linse wischt und das Gerät direkt mit der empfindlichen Optik auf diverse Oberflächen legt?

Kameralinse mit Fingerabdrücken.
Eine große Freude für Forensiker, eine weniger große Freude für Fotografen: Fingerabdrücke auf der Kameralinse.

Klar, solange die Linse nur verschmiert ist, kann man sie zumindest noch putzen. Aber als jemand, der einen künstlichen Augapfel genauso schont wie seinen eigenen, lobe ich mir da schon eine richtige Kamera mit Verschlussmechanismus. Klar erschließt sich der Unterschied schon bei logischem Nachdenken, aber wenn in den Medien ständig nur von Quadrillionen Megapixeln und dergleichen die Rede ist, denkt man doch nicht an solche Banalitäten. Das ist als würde man goldene Hufeisen bewerben, mit denen man einen Esel beschlagen hat.

Diktiergerät: einwandfrei

Da ich gelegentlich Meetings und einstudierte Vorträge aufzeichnen möchte, war es mir auch wichtig, dass ich mein neues Gerät als Diktiergerät verwenden kann. Das habe ich bis jetzt zwar erst ein Mal gemacht, kann mich aber über nichts beklagen. Da ein Mobiltelefon seit eh und je ein Audiogerät ist, sollte es für solche Zwecke ja auch wie die Faust aufs Auge passen.

Stadtplan: Bis dass der Akku uns scheidet

Mein Aufwachsen als Stubenhocker hat dauerhaft meinen Orientierungssinn geprägt. In anderen Worten heißt das: Ich kann mich auf einer geraden Straße verlaufen. Daher finde ich grundsätzlich auch Kartendienste am Smartphone interessant. Als Geizkragen freut es mich umso mehr, dass es für mein Gerät sogar einen kostenlosen Dienst gibt, der ohne dauerhafte Internetverbindung auskommt – praktisch ein klassisches Navigationssystem.

Letztendlich bleibt davon aber nicht viel mehr als: »Es könnte sich irgendwann vielleicht möglicherweise unter Umständen als nützlich erweisen.« Üblicherweise habe ich alle meine Wege schon daheim am PC recherchiert und alles Wichtige auf einem Zettel skizziert. Für spontanere Aktionen habe ich immer einen Stadtplan in Papierform eingesteckt und den werde ich auch in Zukunft nicht daheim lassen, weil ich sonst bei leerem Akku komplett verloren wäre.

Da spricht auch die Erfahrung aus mir. Ich war in meinem bisherigen Leben zwei Mal mit Leuten unterwegs, die sich zur Orientierung auf ihre Mobilgeräte verlassen haben. In beiden Fällen hatten wir uns aufgrund eines leeren Akkus verlaufen.

Aus dem selben Grund würde ich ein Smartphone auch nur in Ausnahmefällen als Wecker verwenden. Das sind Funktionen, bei denen mir Zuverlässigkeit wichtiger ist als alles Andere und es gibt kaum etwas Unzuverlässigeres als ein Gerät, das man mehrmals pro Woche aufladen muss.

Bildschirm: Willkommen im Mäusekino

Als die Menschen noch mehr Zeit vor PCs verbrachten, konnten die Bildschirme nie groß genug sein. Umso seltsamer erscheint es mir, dass dieselben Leute heute dieselben Dinge auf einem Gerät von der Größe einer Zigarettenschachtel machen. In den meisten Wohnzimmern steht heute wahrscheinlich ein Fernseher, der eine ganze Wand ausfüllt und die Leute sitzen davor auf der Couch und schauen sich YouTube-Videos mit zehn Zentimetern Bildschirmdiagonale an.

Ich bin ein Mensch, der den Überblick über viel Information liebt. An meinem PC hängen deshalb gleich drei Monitore. Während ich diese Zeilen hier tippe, habe ich die letzten zwei A4-Seiten direkt vor mir, um jederzeit nachlesen zu können, was ich schon geschrieben habe. Rechts von mir habe ich in Thunderbird ständig meine 20 bis 30 neuesten E-Mails oder Newsfeed-Neuigkeiten und links von mir habe ich meine Arbeitszeitaufzeichnung im Blick, die mich ständig darin erinnert, alles, was ich mache zu dokumentieren.

Auf einem Smartphone hätte ich stattdessen rund sechs kurze Textzeilen und müsste wegen jedem Käse die App wechseln. Abgesehen von der Mobilität ist mir absolut kein Anwendungsfall bekannt, in dem so ein kleiner Bildschirm nicht eine gewaltige Einschränkung wäre.

Gegenüberstellung eines PC-Arbeitsplatzes mit drei Monitoren zu einem kleinen Smartphonebildschirm.
Nicht selten werden Smartphones als reine Konsumobjekte bezeichnet. Vollkommen zurecht, wie ich finde. Mit vernünftiger Bildschirmspannweite sowie echter Tastatur und Maus kann ich praktisch alles effizienter machen – sogar konsumieren.

Diese Beschränktheit hat sich mittlerweile ja auch in jeder Art von Software – auch für PCs – niedergeschlagen. Direkt erreichbare, klar beschriftete Schaltflächen? Dafür ist kein Platz. Du musst Dir schon auswendig merken, in welche Richtung Du für welche Operation wischen musst und Drop-Down-Menü gibt es je Programm nur noch eines.

Als Touchscreen ist dieser Spielzeugbildschirm dann für gewöhnlich auch noch stärker verschmiert als die Kameralinse. Mein Blackberry, das trotz Tastatur zusätzlich einen Touchscreen hat, schaut durch diese Schmierer mit ausgeschaltetem Bildschirm ungepflegter aus als meine alten Handys.

Weiter ist dieses Smartphone auch mein erstes Mobiltelefon, dessen Bildschirm sich wirklich komplett ausschaltet. Die anderen zeigten zumindest auf einem unbeleuchteten Monitor die Uhrzeit an, aber das neue wird einfach schwarz. Damit sieht man nicht nur die Fettfingermalereien umso deutlicher, sondern ich kann auch nicht mehr unterscheiden, ob es sich im Standby-Modus befindet oder der Akku leer ist. Da die Akkustandsanzeige auch nicht korrekt funktioniert – offenbar ein öfters auftretendes Problem bei Blackberry – ist es jedes Mal spannend nachzusehen, ob das Ding überhaupt noch läuft.

Mein Firmenhandy und mein Privathandy nebeneinander.
Mein Firmenhandy blendet im Standby die Uhrzeit ein. Die interessiert mich als Armbanduhrenträger zwar nicht, aber sie zeigt mir zumindest, dass das Gerät noch läuft. Mein Blackberry könnte dagegen genauso gut eine Attrappe sein.

Internet: Spannung, Spiel und Überraschung

Als ich mein neues Telefon in Betrieb nahm, hatte ich noch etwa fünf Euro auf meinem Prepaid-Konto. Wie gesagt, ist das für mich ein Monatsbudget. Ich aktivierte also mein Smartphone, ging zur Haustür hinaus und erhielt sofort eine Verständigung, dass ich pleite bin. Wie überraschend! Da hatte ich Dummerchen doch glatt vergessen, das mobile Internet auszuschalten. Gerade bei meinen Steinzeittarifen macht sich so etwas rasch bemerkbar.

Und genau das ist auch mit ein Grund, warum ich mobiles Internet am Smartphone gar nicht nutzen will: Es ist unberechenbar. Ich werde nicht doppelt so viel wie bisher bezahlen, um ein monatliches Freikontingent zu bekommen, das ich nicht annähernd ausschöpfen würde. Noch viel weniger will ich aber nach Verbrauch bezahlen, wenn ich keine Kontrolle über den Verbrauch habe.

Ich hoffe mal, dass es nur das Betriebssystem war, das sich auf den neuesten Stand bringen wollte. Bei all den standardmäßig aktivierten Datenstaubsaugern heutzutage kann man sich da ja nie ganz sicher sein und jedes Gerät, das im Internet hängt, ist auch ein potenzielles Einfallstor für Schadsoftware. Das sogenannte Internet der Dinge, bei dem praktisch jedes Objekt mit dem Internet verbunden wird, ist dementsprechend auch eine der dümmsten Ideen in der Menschheitsgeschichte.

Interessanterweise gibt es auf meinem Gerät unmittelbare Möglichkeiten, um WLAN und sogar die Mobilfunkverbindung zu kappen, während das Deaktivieren der mobilen Daten aber relativ unauffällig in den Detaileinstellungen untergebracht ist. Ein Festessen für Verschwörungstheoretiker! In den Tagen nach dem Ausschalten habe ich jedenfalls sehr genau kontrolliert, ob es auch wirklich keine unerwarteten Abzüge mehr gibt.

Was die allgemeine Internetnutzung betrifft, gilt das gleiche wie beim Bildschirm: Was mir mein PC bietet, ist um Welten besser. Erst letztens habe ich in einer Online-Konferenz eine kleine Diskussion darüber miterlebt, wo man zu Hause am besten hingehen sollte, damit die Übertragung im WLAN nicht so stark gestört ist. Dass man das Internet daheim auch störungsfrei per Kabel beziehen kann, scheint schon gar keinem mehr in den Sinn zu kommen.

Smartphones sind ein Kompromiss

Ich will niemandem ausreden sich das neueste Smartphone zuzulegen. Wobei … doch, eigentlich will ich das schon irgendwie. Es wird bloß niemand darauf hören.

Gegen Smartphones an sich kann ich nichts einwenden. Ein flexibles Multifunktionsgerät ständig bei sich zu haben, ist sicher praktisch. Kamera, Diktiergerät, MP3-Player und das allwissende Lexikon namens WWW in der Hosentasche haben schon ihren Reiz.

Aber man sollte ein wenig darauf achten, ob die Relation stimmt – etwa beim Preis. Vor etwa einem Jahr habe ich um knapp 500 Euro einen Laptop gekauft, der stark genug für professionelle 3D-Konstruktionsprogramme ist. Da sollte schon die Frage erlaubt sein, ob man ein Smartphone um den doppelten Preis braucht, um Whatsapp-Nachrichten auf einer winzigen Pseudo-Tastatur zu schreiben und sich mangels Netzabdeckung stockende YouTube-Videos in Briefmarkengröße anzusehen.

Es gibt durchaus Smartphones, die auf den Schlankheitswahn verzichten und stattdessen eine vernünftige Kamera einbauen. Auch gibt es Konzepte für Smartphones, die sich in einer Docking-Station in den Kern eines vollwertigen PCs verwandeln. Darin sehe ich für die ferne Zukunft ein gewaltiges Potenzial. Bis solche Dinge zum Standard werden, kann ein Smartphone aber weder eine richtige Kamera noch einen richtigen PC ersetzen und das sollte man sich bei der Anschaffung auch vor Augen halten.

Kommentare

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Bisherige Kommentare

  • Muvimaker

    Mäusekino: Genauso ist es. Ein Kollege bekommt regelmäßig feuchte Augen, wenn er von 4K/8K-Display schwärmt. Dann kann er sich seine Filme in extrem guter Auflösung bei einer Diagonale von 5-6 Zoll ansehen. Auch erstrebenswert.
    Erinnert mich an MP3 oder ähnliche Undinge. Da kaufen sich die Leute sündteures Audioequipment, um dann mit allerlei Zusatztools die miesesten MP3-Dateien "aufgemotzt" abzuspielen. Das ganze noch über die neue Mehrkanalanlage und vielleicht noch mit klassischer Musik. Und das bezeichnen sie am Stammtisch als "geilen Sound". (c) Ein BMW-Fahrer aus dem Burgenland...

  • Tony T

    Danke für den Text! Da finde ich mich fast überall wieder, etwa bei dem unsäglichen T9 oder beim Staunen über die allgemeine Begeisterung für störanfälliges WLAN. Hier würde mich auch deine Meinung zu Elektrosmog interessieren!

    • Michael Treml (Seitenbetreiber)

      Antwort an Tony T:

      Über Elektrosmog habe ich ehrlich gesagt nie näher nachgedacht, weil das für mich immer den Eindruck gemacht hat, irgendwo aus der Esoterik-Ecke zu kommen. Als Wenigtelefonierer und jemand, der sein Handy üblicherweise nicht in der Hosentasche trägt, würde ich mir auch kein großes Risiko ausrechnen, wenn es das tatsächlich gäbe.