Urmenschen könnten uns für Idioten halten

Im Vergleich zu unseren steinzeitlichen Urahnen sind wir heute Genies … reden wir uns gerne ein. Auf der Gegenseite könnte aber der gegenteilige Eindruck entstehen.

Struppiger Steinzeitmensch zeigt lachend auf ein Tablet.
»Ist das euer Ernst? Ihr benutzt dieses Ding, um anderen Leuten beim Essen zuzuschauen?« (Bildquelle: Fractal Pictures auf Adobe Stock)

Was würden Steinzeitmenschen staunen, wenn ihnen ein moderner Homo sapiens über den Weg liefe! Mehrere zehntausend Jahre Fortschritt und Entwicklung haben uns als Menschen auf ein Niveau gehoben, das unseren Urahnen wie der Olymp erscheinen muss. Sie würden uns regelrecht zu Füßen liegen.

Sollten wir im Gegenzug jemals Besuch von Menschen aus der fernen Zukunft bekommen – oder von Außerirdischen, die uns technologisch um Jahrtausende voraus sind –, wären die Rollen konsequenterweise vertauscht und wir wären dann die Primitivlinge. Interessanterweise denken wir in unserer Fantasie aber nur selten daran, solchen Übermenschen die Füße zu küssen, sondern malen uns lieber Strategien aus, um ihnen trotz ihrer vermeintlichen Überlegenheit zu zeigen, wo der Hammer hängt. Aliens werden in Hollywood üblicherweise nicht nach ihrem Wissen befragt, sondern genauso wie die von ihnen mitgebrachte Technik am Untersuchungstisch seziert.

Als Zeitreise- und Steinzeit-Enthusiast sollte man also Vorsicht walten lassen, denn auch unsere Urahnen könnten statt an unserem Wissen vielmehr an anderen Mitbringseln interessiert sein. Und diese Prioritätensetzung wäre womöglich nicht einmal verkehrt, denn die Chancen stünden gut, dass wir aus ihrer Sicht ohnehin Idioten wären.

Die Jugend von gestern ist gottlos und faul …

Schon beim Blick auf sehr kurze Zeitspannen zeigt sich, dass nachfolgende Generationen nicht zwangsläufig als schlauer wahrgenommen werden – eher noch das Gegenteil. Wer kennt sie nicht, die abschätzigen Zitate über »die Jugend von heute«, die schon seit Anbeginn der Schriftsprache dokumentiert sind … oder besser gesagt: dokumentiert sein sollen, denn obwohl zahlreiche solcher Zitate durch die Welt geistern, sieht es mit Nachweisen für die ältesten davon eher schlecht aus. Aber immerhin die Tatsache, dass solche Möchtegern-Zitate immer wieder ausgepackt werden, zeigt auf, dass es genügend Anlässe dafür gibt.

Sokrates-Büste mit dem Text: »Die Jugend von heute ist verdorben und faul. Sie glaubt alles, was als Zitat zwischen zwei Anführungszeichen steht und meinen Namen als Quelle anführt.« – Sokrates
(Bildquelle: Sting, CC BY-SA 2.5 Deed, Bild nachbearbeitet)

Generationenkonflikte und Früher-war-alles-besser-Mentalität haben wahrscheinlich alle von uns schon einmal miterlebt. Man muss nur auf YouTube durch Musik stöbern, die mindestens fünf Jahre auf dem Buckel hat, und die Chancen stehen gut, dass man in den zugehörigen Kommentaren Pauschalisierungen wie »tausendmal besser als der heutige Müll« findet.

Oft muss auch der Film Idiocracy für Vergleiche mit aktuellen Entwicklungen und Geschehnissen herhalten. In dieser Komödie von 2006 führt Dummheit als evolutionärer Vorteil zu einer dystopischen Zukunftswelt, die nur noch von Idioten bevölkert wird … wobei das Drehbuch ironischerweise selbst nicht gerade mit Intellekt glänzt – aber das nur nebenbei bemerkt.

Oben: Raster aus großen, bunten Schaltflächen mit weißen Piktogrammen, unter anderem ein Kopf mit einer Beule, ein Körper mit einem Loch und ein Körper mit einem abgetrennten Kopf. Unten: Raster aus großen, bunten Touchscreen-Schaltflächen mit weißen Piktogrammen.
Oben: Computer für analphabetisches Krankenhauspersonal aus dem Film Idiocracy von 2006. Unten: Startmenü in Microsoft Windows 8 von 2012. Die Vergleiche ließen damals nicht lange auf sich warten. (Bildquellen: Idiocracy, 20th Century Fox; Windows 8: Screenshot aus dem Video »A touch-screen Windows 8 laptop for less « von CNET)

Neben technischen Parallelen wurde unter anderem auch das angekündigte Cage-Match zwischen Elon Musk und Facebook-Chef Mark Zuckerberg mit Idiocracy verglichen, schließlich ist im Film-Setting selbst der US-Präsident Wrestler.

Dieses Beispiel zeigt allerdings auf, dass vieles eine Frage der ständig im Wandel befindlichen Kultur ist. Die beiden Multimilliardäre sind keine klassischen Konzernerben, die mit einem Stock im Hintern aufgewachsen sind, und Wrestling ist heute nicht mehr die Jahrmarkt-Belustigung, die es vor hundert Jahren war, sondern ein Milliardengeschäft. Da finden zumindest monetär die passenden Nullen zusammen.

Andere Formen von Duellen waren in der Menschheitsgeschichte nicht ungewöhnlich. Vor wenigen Generationen wäre wohl noch die Nase über Leute gerümpft worden, die solche Herausforderungen nicht annehmen.

Andere Zeiten, andere Fertigkeiten

Darüber, ob und wann Käfigringen kulturell angemessen ist, kann man sich ebenso streiten wie über das auf dem Rückzug befindliche Tragen von Krawatten. Im konkreten Fall könnte man auch einen Kompromiss eingehen und die beiden Duellanten im Opernball-Outfit gegeneinander antreten lassen. In anderen Fällen hat man aber kaum eine Wahl und muss sich der Kultur um sich herum unterwerfen – vor allem dann, wenn das Komma am Bankkonto um einige Stellen weiter links liegt als bei Musk und Zuckerberg.

In den letzten Jahrzehnten haben vor allem technische Entwicklungen zu einem so raschen Kulturwandel beigetragen, dass junge und nicht mehr ganz so junge Menschen praktisch in unterschiedlichen Welten aufgewachsen sind. Für meine Großeltern bestand die Kulturtechnik des Schreibens noch vorwiegend aus Handschrift, für mich ist es heute primär Tippen auf einer mechanischen Tastatur und die jüngsten Generationen wischen vorwiegend auf einem Touchscreen herum.

Ich wurde noch für meine krakelige Schreibschrift geneckt, Kinder von heute lernen dagegen oft gar keine mehr. Dank Extras wie Autokorrektur und Wortvorhersage würde es mich nicht wundern, wenn es in Zukunft kaum noch jemand beherrscht, Schriftzeichen ohne solche Hilfsmittel korrekt aneinanderzureihen.

Textausschnitt aus diesem Artikel, in dem die Wörter »Duellanten« und »Opernball-Outfit« als vermeintliche Schreibfehler rot unterwellt sind.
Meine Rechtschreibkorrektur kreidet mir ständig Worte an, die eigentlich korrekt sind. Vor allem in meinen ersten Jahren am PC hatte ich mich dadurch viel zu oft von meinen ursprünglichen Formulierungen abbringen lassen. Zukünftige Generationen, die schon mit Autokorrektur und Wortvorhersage aufwachsen, werden beim Texten wahrscheinlich noch viel mehr von der Technik geleitet.

Ältere Generationen würden solche Halb-Alphabeten vermutlich als Idioten abstempeln, aber warum sollte man auch etwas lernen, was man vermutlich niemals brauchen wird? Wir hatten das buchstabengetreue Schreiben doch auch nur deshalb verinnerlicht, weil wir keine Alternative hatten. Und genauso, wie mir mein handschriftliches Gekrakel für die wenigen Fälle ausreicht, in denen ich doch von Hand schreibe, wird künftigen Generationen ihr Buchstabenbrei genügen.

Medieninformatik in der Steinzeit

Weiten wir den Betrachtungszeitraum nun wieder auf mehrere Jahrtausende aus, stellt sich die Frage: Was könnten wir mit unseren Fertigkeiten in der Vergangenheit wirklich anfangen?

Wir leben heute in einer Informationskultur, die komplett anders funktioniert als etwa die frühe Kultur der Jäger und Sammler. Ob ich mit Federkiel, Tastatur oder Touchscreen schreiben kann, wird für einen Steinzeitmenschen keinen Unterschied machen, weil das in seiner Lebenswelt alles gleichermaßen nutzlos ist. Mit einem Stapel ausgefüllter Formulare bekomme ich im Urwald kein Essen auf den Teller.

Der heutige Otto Normalbürger bringt so gut wie keine Fertigkeiten mit, die in einer Steinzeitkultur einen Wert hätten. Aus meinem Medieninformatik-Diplom könnte ich mir bestenfalls einen Papierhut falten, damit ich keinen Sonnenstich bekomme.

Aber nicht nur weltfremde Schreibtisch-Schnösel wie ich wären in der Steinzeit weitgehend aufgeschmissen. Sogar das, was wir heute als naturverbundene Bauernhöfe betrachten, besteht in Wahrheit überwiegend aus Zuchtpflanzen und -tieren, die es in der Natur so nie gegeben hat. Gelernte Bio-Bauern müssten erst einmal irgendetwas Anbaubares in der Wildnis finden, bevor sie wie gewohnt herumbauern können.

Oben: Maiskolben. Unten: grüner Samenstand, der nur halb so lang wie der Maiskolben und nur so dick wie ein einzelnes Maiskorn ist.
Nach Mais (oben) würde man in urtümlicher Wildnis vergeblich suchen, weil er aus einem unscheinbaren Süßgras namens Teosinte (unten) gezüchtet wurde. (Bildquelle: John Doebley, CC BY 3.0 Deed, Bild nachbearbeitet)

Es kann natürlich sein, dass sich der eine oder andere von uns irgendwann einmal hobbymäßig mit ein paar steinzeitlichen Kulturtechniken befasst, aber im Vergleich zu den Urmenschen, für die das der Alltag war, sind wir alle Amateure. Dass ich als Kind schon mal einen löchrigen Unterschlupf aus Ästen und Zweigen gebaut habe, wäre aus deren Sicht genauso niedlich, wie wenn mir jemand erzählt, schon einmal drei Sätze auf einer Tastatur geschrieben zu haben.

Automatische Türen in der Antike

Weil mit fortschreitender Zeit immer mehr Informationen verloren gehen, ist das Bild, das wir von unseren Urahnen haben, sehr löchrig. Neue Funde zeigen immer wieder, dass frühe Menschen schon wesentlich schlauer waren, als wir uns das in der Regel vorstellen.

Erst unlängst wurden Reste einer großen, knapp 500.000 Jahre alten Holzkonstruktion gefunden. Zum Vergleich: Uns als Homo sapiens gibt es erst seit rund 300.000 Jahren.

Aber selbst Vorläufer modernerer Technik sind schon früher belegt, als man glauben könnte. Die bekannten technischen Skizzen von Leonardo da Vinci sind entgegen dem weitläufigen Glauben nicht seine eigenen Erfindungen, sondern bloß seine Interpretationen von Entwürfen, die sogar noch deutlich älter sind.

Ein wirklich bemerkenswerter Erfinder war Heron von Alexandria, der sich bereits vor rund 2.000 Jahren mit Pneumatik und Hydraulik beschäftigte und so unter anderem ein System entwickelte, das beim Entzünden eines Feuers automatisch die Türen eines Tempels öffnete.

Zeichnung einer Kugel, die rotierbar über einer mit Feuer erhitzten Fläche montiert ist. An zwei gegenüberliegenden Enden der Kugel stehen Rohre aus der Kugel heraus, die jeweils in einem rechten Winkel abgeknickt sind und in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Aus diesen Rohren dringt Dampf, der die Kugel rotieren lässt.
Ein sogenannter Heronsball: Feuer erzeugt Wasserdampf, der aus zwei Düsen an einer Kugel ausdringt und die Kugel damit in Rotation versetzt. Dieser Dampfmaschinen-Vorläufer war schon vor mindestens 2.000 Jahren bekannt, aber man wusste sich offenbar nichts Sinnvolles damit anzufangen. (Bildquelle: Knight’s American Mechanical Dictionary, 1876 auf Wikimedia Commons, Public Domain)

Die Antike stand damit technisch schon knapp vor einer industriellen Revolution, aber offenbar spielte die damalige Kultur nicht mit. Warum sollte man auch teure Maschinen für physische Tätigkeiten konstruieren, wenn man für solche Zwecke billige Arbeitssklaven hat? Die meisten Unternehmen sähen wohl auch heute keinen Sinn in Automatisierung, wenn man seine Mitarbeiter nach wie vor mit einem Apfel und einem Ei abspeisen könnte.

Dass Heron ausgerechnet Tempeltüren ins Auge fasste, könnte wohl damit zusammenhängen, dass so eine unnötige Kuriosität dort immerhin noch einen göttlichen Wow-Faktor brachte, der Gläubige in Ehrfurcht versetzt und Ungläubige bekehrt. Ähnliches dachte er sich wohl auch, als er den ersten Münzautomaten der Geschichte erfand – zur Ausgabe von Weihwasser. Wie man jedenfalls sieht, war das Verhältnis zwischen Religion und Fortschritt damals noch ein Anderes als in späteren Jahren.

A Fool with a Tool is still a Fool

Nun habe ich im letzten Absatz geschrieben, dass eine Innovation in der Antike wohl einen göttlichen Wow-Faktor hatte … obwohl ich eingangs behauptet hatte, dass Urahnen uns moderne Menschen wahrscheinlich nicht als göttlich ansehen würden.

Aber hier muss man zwischen zwei Dingen unterscheiden: der Innovation an sich und dem Menschen, der sie benutzt. Den Hanswurst, der vor hydraulischen Tempeltüren ein Feuer anzündet, wird wohl niemand vergöttert haben. Genausowenig vergöttert heutzutage jemand verzogene Balgen, nur weil sie das modernste Smartphone in der Hand haben.

Gerade unsere Technik muss ja in Zeitreise-Fantasien immer wieder dazu herhalten, um Urahnen unsere Überlegenheit zu demonstrieren; aber zur Existenz dieser Technik haben nur die wenigsten von uns etwas Entscheidendes beigetragen. In der Regel sind wir einfache Benutzer – und je weiter eine Technologie verbreitet ist, desto eher ist sie deppentauglich. Smartphones können – in beschränktem Umfang – selbst von Affen bedient werden.

Schimpanse hält Smartphone mit Bildergalerie vor sich.
Dieser Schimpanse konsumiert Bilder und Videos am Smartphone genauso routiniert wie wir. Wer Steinzeit-Menschen beeindrucken will, muss schon etwas mehr können, als nur bunte Bildchen anzutatschen. (Bildquelle: Video auf The Guardian, Originalquelle laut Guardian: Kody Antle auf Instagram, aber dort finde ich es nicht.)

Könnten wir ausschließlich in Terminator-Manier, also pudelnackt, durch die Zeit reisen, stünden wir nicht nur mit bloßem Hintern, sondern auch in beiderlei Wortsinn mit leeren Händen da. Selbst meine weiter oben genannten Origami-Fertigkeiten mit meinem Medieninformatik-Diplom könnte ich dann nicht unter Beweis stellen – wobei man ohnehin schon bei jedem Intelligenztest durchgefallen ist, wenn man auf so eine Reise statt etwas Nützlichem ausgerechnet ein Diplom mitnimmt.

Fachtrottelisierung

Selbst wenn ich als Einzelperson irgendetwas zur Entwicklung moderner Technik beitrage, ist dieser Beitrag von so vielen anderen Menschen abhängig, dass ich mit meinen isolierten Fähigkeiten in einer anderen Ära nicht viel anfangen könnte.

  • Was nutzen mir Programmierkenntnisse, wenn keine Hardware da ist, die ich programmieren könnte?
  • Was nutzen mir Hardware-Kenntnisse, wenn es die nötigen Komponenten nicht gibt?
  • Was nutzen mir Kenntnisse zum Bau von Komponenten, wenn die nötigen Rohstoffe fehlen?
  • Und was nutzen mir Rohstoffe, wenn ich nicht die nötigen Werkzeuge habe, um sie zu verarbeiten?

Wir haben als Menschheit im Lauf der Geschichte immer größere Ziele erreicht, weil wir in immer größeren Einheiten zusammenarbeiten, aber der einzelne Mensch ist dabei zum Fachtrottel verkommen. Während es in kleinen, urzeitlichen Gemeinschaften noch essentiell war, dass jeder ein großes Set an überlebenswichtigen Grundfertigkeiten hat, haben wir heute primär komplett abstrakte Fertigkeiten, die für sich alleinstehend wertlos sind.

Es scheint der natürliche Lauf der Dinge zu sein, dass alles, was irgendwann einmal essentiell war, nach und nach zum Nischenwissen wird. Es mag zwar nach wie vor Leute geben, die wissen, wie man in der Wildnis überlebt, aber es gibt wahrscheinlich mehr Personen, die die ersten 151 Pokémon aufzählen können.

Screenshot des YouTube-Kanals »Primitive Technology«, auf dem auch das gleichnamige Buch beworben wird, mit der Kurzbeschreibung: »A survivalist’s guide to building tools, shelters & more in the wild«.
Ein Mann, eine kurze Hose und ein Wald – das ist alles, womit John Plant auf seinem YouTube-Kanal »Primitive Technology« loslegt und uns verwöhnten Fachdeppen nach und nach zeigt, wie man diverse Dinge von Laubzelten bis hin zu Ziegelhäusern und Eisenwerkzeugen wortwörtlich aus dem Boden stampft.

Genauso sollten wir uns darauf einstellen, dass unser heutiges Allgemeinwissen in mehr oder weniger ferner Zukunft Kuriositätswert haben wird. Deutsche Grammatik werden mitunter nur noch studierte Germanisten beherrschen, die in die Entwicklung von Textsoftware einbezogen werden. Um eine Glühbirne zu wechseln, wird man zehn Leute brauchen, um einen zu finden, der überhaupt noch weiß, was eine Glühbirne ist – und der hat mitunter auch noch nie zuvor ein Leuchtmittel gewechselt, weil moderne Alternativen ein Vielfaches an Lebensdauer haben.

Technisch überlegene Besucher wären Idioten

Aus all diesen Gründen würden wir vermutlich auch Besucher aus der Zukunft oder aus dem All für gar nicht mal so intelligent halten. Die hochspezialisierte Expertise so einer Person wäre für uns wahrscheinlich ähnlich abstrakt und nutzlos wie die Expertise eines Social-Media-Managers für einen Steinzeitmenschen.

Wenn Außerirdische mit irgendeiner Antriebstechnik zu uns kommen, die wir uns noch nicht einmal erträumen können, basierend auf Materialien, die wir noch nicht einmal herstellen können, … dann ist es sehr wahrscheinlich, dass unsere Besucher uns nicht viel mehr darüber erzählen könnten, als wo man das Ding einschaltet. Der durchschnittliche Autofahrer versteht schließlich auch nichts von Motorkonstruktion und Stahlgewinnung.

Lustig finde ich in diesem Zusammenhang auch die schon öfters gehörte Annahme, dass die Existenz von abgestürzten Alien-Raumschiffen auf der Erde unwahrscheinlich sei, weil eine intelligente Spezies, die enorme Strecken im All zurücklegen kann, wohl kaum abstürzen würde. Bei Autofahrern käme im Gegenzug niemand auf die Idee, dass jemand nach hundert unfallfreien Kilometern auf der Autobahn nicht beim Rückwärtseinparken scheitern kann. Auf einer weitläufigen Asphaltfläche geradeaus zu sausen, ist schließlich die geringste Herausforderung beim Autofahren.

Einzelner Baum in einer Wüste.
Arbre du Ténéré war der einzige Baum in einem Umkreis von mindestens 150 Wüsten-Kilometern … bis er 1973 von einem LKW-Fahrer umgenietet wurde. Dass man eine große Strecke zurücklegen kann, ist eben kein Beweis für navigationstechnische Unfehlbarkeit. (Bildquelle: Michel Mazeau, CC BY-SA 2.0 Deed, Bild nachbearbeitet)

Aber wir müssen uns hier als Menschen nicht einmal auf Auto-Vergleiche beschränken. Mit Voyager 1 haben wir eine Raumsonde im All, die bisher immerhin mehr als 24 Milliarden Kilometer zurückgelegt hat und in rund 40.000 Jahren einen anderen Stern passieren wird. Abbremsen und landen können wir sie aber nicht und auch für ambitionierte Zukunftsprojekte sind Bremsmanöver bis auf weiteres nicht einmal angedacht.

Sollten wir jemals das All besiedeln, werden wir also sicher noch einige Bruchlandungen hinlegen. Aber das setzt voraus, dass es davor nicht eine viel größere, metaphorische Bruchlandung gibt. Letztendlich gilt die ganze Fortschritts-Fachtrottel-Idiotie heutzutage ja allem voran für diejenigen von uns, die sich moderne Technik leisten können können. Falls wir uns so richtig idiotisch anstellen, ist das bald keiner mehr; dann leben wir alle wieder wie in der Steinzeit.

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Bisherige Kommentare

  • Tony T

    Sehr interessante Gedanken! Bei meinen Ich-vs.-Steinzeitmensch-Gedankenspielen bin ich immer schon bei der ersten Begegnung gescheitert: Steinzeitmensch findet mich unheimlich und erschlägt mich mit seiner Keule ;)

    • Michael Treml (Seitenbetreiber)

      Antwort an Tony T:

      Bei meiner Recherche zu diesem Artikel habe ich irgendwo gelesen, dass die typische Keule auch nur ein Klischeebild ist, für das es in Wahrheit keine archäologischen Belege gibt. Vielleicht können wir uns also zumindest damit trösten, dass Steinzeitmenschen uns viel kultivierter um die Ecke bringen würden, als wir uns das erwarten. :-)