Wer zum Tiergarten Schönbrunn will, sollte nicht in Schönbrunn aussteigen

Namen von Haltestellen können einen oft in die Irre führen. Wer in Wien etwa den Tiergarten in Schönbrunn besuchen will, sollte nicht bei der U-Bahn-Station »Schönbrunn« aussteigen.

Jahreskarte Tiergarten Schönbrunn vor Netzplan der Wiener Linien

Es hat mich schon als Kind irritiert: Fährt man mit der U-Bahn zum Tiergarten Schönbrunn, kommt man an einer Station vorbei, die »Schönbrunn« heißt – aber aussteigen soll man erst eine Station später in »Hietzing«. Damals hat im Netzplan zumindest noch ein kleines Symbol mit einem Elefanten darauf hingewiesen, aber heute ist auch das weg, obwohl die Haltestellen immer noch die gleichen Namen tragen.

Die Station »Schönbrunn« ist deshalb keineswegs falsch benannt, aber was man dort vorfindet, ist nicht der Tiergarten Schönbrunn, sondern das Schloss Schönbrunn. Wenn man als Kind Affen und Giraffen erwartet, ist man eher enttäuscht, wenn man stattdessen nur affige Prunkhütten und Blumenbeete zu sehen bekommt.

Grundsätzlich gehört auch der Zoo eine Station weiter noch zum Schlossgarten. Da stellt sich die Frage: Wieso heißt eine Haltestelle einfach nur »Schönbrunn«, wenn das alles zusammen gehört und man einen Halt später immer noch in Schönbrunn ist? Da könnte man eine Station ja ebenso gut »Wien« nennen.

Auf Irrwegen entlang der Nußdorfer Straße

Ortswechsel. Zeitwechsel. Die vereinzelten weißen Haare an meinen Schläfen deuten darauf hin, dass ich mittlerweile zumindest körperlich kein Kind mehr bin. Ich will mit der Straßenbahn zu einem Kollegen fahren und soll dazu auf der Nußdorfer Straße umsteigen. Die Straße wird ausgerufen, ich steige aus … und finde weit und breit keine Umstiegmöglichkeit.

Zum Glück bin ich mittlerweile bewegungsfreudiger als noch in meiner Kindheit, also mache ich mich zu Fuß auf Erkundung. Ja, ums nächste Eck finde ich tatsächlich eine andere Haltestelle! Bei näherer Betrachtung ist es aber eine aufgelassene. Es steht nicht einmal mehr angeschrieben, was dort irgendwann einmal angehalten hat.

Aufgelassene Straßenbahn-Haltestelle
Einmal Haltestelle ohne alles. Keine Linienangabe, kein Fahrplan, kein Garnichts.

Mein Orientierungssinn ist mit meiner vergrößerten Bewegungsfreude noch nicht ganz mitgekommen. Da ist es umso erfreulicher zu wissen, dass ich von einer Straßenbahn in eine andere umsteigen muss – und die Gleise der beiden müssten sich kreuzen. Ich kann daher nur dort richtig sein, wo Gleise entlangführen. Also folge ich mal denen, über die ich eben gekommen bin.

Nach einem Stück: Tatsächlich, eine andere Haltestelle! Naheliegenderweise ist es der nächste Halt der Linie, aus der ich vorhin ausgestiegen bin. Kruzifix! Ich kann doch nicht an der anderen Straßenbahn vorbei gelaufen sein?

Ein Blick auf den Fahrplan offenbart mir schließlich, wo das Problem liegt: Ich sollte zwar auf der Nußdorfer Straße umsteigen – aber nicht bei der Station »Nußdorfer Straße«, sondern erst drei Haltestellen später bei »Nußdorfer Str./Alserbachstr.«. Dazwischen befinden sich zwei Stationen, die komplett anders heißen. Ein Schildbürgerstreich!

Haltestellenschilder »Nußdorfer Straße« und »Nußdorfer Straße, Alserbachstraße«
Sieht auf den ersten Blick nach dem gleichen Ort aus, aber der Schein trügt.

Gleich und gleich gesellt sich ungern

Das Problem mit den Stationen in Schönbrunn/Hietzing und auf der Nußdorfer Straße ist im Prinzip das gleiche. Wenn ein Verkehrsmittel über mehrere Haltestellen hinweg durch ein und denselben Ortsteil oder an ein und derselben Straße entlang fährt, dann sollte keine dieser Haltestellen einfach nur den Namen dieses Ortsteils oder dieser Straße tragen.

»Hietzing« ist in diesem Zusammenhang übrigens auch ein denkbar schlechter Name. Er bezeichnet nämlich den gesamten Bezirk, in dem auch Schönbrunn liegt. Und dieser Bezirk ist flächenmäßig der drittgrößte der Stadt …

Besser wäre es, Haltestellen nur nach Querstraßen oder möglichst eng gefassten Orten zu benennen. Statt »Nußdorfer Str./Alserbachstr.« wäre »Alserbachstr.« vollkommen ausreichend und bei der Station »Nußdorfer Straße« gibt es auch Querstraßen, die als Namenspaten dienen könnten. »Schönbrunn« und »Hietzing« ließen sich entwirren, indem man sie in »Schloss Schönbrunn« und »Tiergarten Schönbrunn« umbenennt.

Ähnlich und ähnlich ist auch nicht ideal

Wichtig bei einer Aufteilung in »Schloss Schönbrunn« und »Tiergarten Schönbrunn« ist, dass »Schönbrunn« immer an zweiter Stelle steht. Andernfalls hätte man wieder wie auf der Nußdorfer Straße zwei Stationen, die man nur voneinander unterscheiden kann, wenn man den Namen auch bis zum Ende liest.

Alternativ könnte man auch alle Haltestellen in Wien mit Straßenname zuzüglich Hausnummer benennen und bei jeder Gelegenheit den selben Straßennamen verwenden. Dann müsste man zwar immer den Namen bis zum Ende lesen, aber dadurch wäre man es wenigstens gewohnt und kann dadurch nicht mehr in die Irre geführt werden.

In der jetzigen Situation ist »Schönbrunn« in zwei Stationsnamen aber zugegeben generell nicht ideal. Wer zum Tiergarten will und nicht gut aufpasst, könnte hier immer noch eine Station zu früh aussteigen, wenn er nur »Schönbrunn« im Kopf hat. Aber das kann man wohl nur vermeiden, indem man entweder die Stationen nicht mehr nach den Attraktionen benennt oder den Sehenswürdigkeiten neue Namen ohne Verwechslungsgefahr gibt. Wie wäre es etwa mit »Sissis Kitsch-Schloss« und »Tierhaftanstalt«?

Verwechslungsgefahr gibt es freilich auch bei anderen Stationen mit sehr ähnlichen Namen. Mein Favorit im Wiener U-Bahn-Netz sind dabei die benachbarten Stationen »Schottenring« und »Schottentor«. Im Gegensatz zu den berühmten Attraktionen in Schönbrunn sind das für mich bis heute nur zwei Namen, mit denen ich außer ihrer Ähnlichkeit nichts in Verbindung bringe. Wer sich nur sinngemäß »nördliches Volk mit Sch…« merkt, wird mit dem ebenfalls benachbarten Schwedenplatz womöglich auch noch Probleme haben.

Der Schottenring ist in zentraler Lage. Da lasse ich mir zumindest einreden, dass solche Benennungsprobleme historisch gewachsen sind. In den letzten Jahren hat man aber auch einen massiv beworbenen, neuen Stadtteil namens »Seestadt Aspern« an die U-Bahn angeschlossen und von vier neuen Haltestellen dorthin heißen nun drei »Aspernstraße«, »Aspern Nord« und »Seestadt«. Scheinbar gibt es in der Gegend nicht viel, was einen Stationsnamen wert wäre.

Kurz und prägnant

Im Idealfall sollte ein Haltestellenname möglichst kurz und trotzdem unverwechselbar sein. Das ist zugegeben nicht ganz einfach, aber zumindest solche Ungetüme wie »Nußdorfer Str./Alserbachstr.« sollten sich einfach vermeiden lassen. Wie man sieht, haben sich die Verantwortlichen ja nicht einmal getraut, die Namen auszuschreiben – oder sie hatten einfach nicht genug Platz auf Schildern und Fahrplänen dafür.

In vielen digitalen Formen sind lange Namen auch gar nicht vorgesehen. In der Fahrplaninformation der Wiener Linien etwa wird mir der Name »Nußdorfer Str./Alserbachstr.« gar nicht vollständig angezeigt. Selbst dann, wenn mein Browserfenster eigentlich mehr als genug Platz dafür hätte, steht dort nur »Nußdorfer Str./Alse…«. Da ist es ja kein Wunder, dass ich falsch ausgestiegen bin.

Der Routenplaner zeigt nur »Nußdorfer Str./Alse…«
Die Funktion folgt der Optik. Wie sähe das denn aus, würde man ausreichend Platz für lange Stationsnamen bieten? Das wäre doch nicht schick!

Die digitalen Anzeigen an Haltestellen und in den Zügen haben auch nur eine begrenzte Zeilenlänge. Im Kontrast zur Fahrplanauskunft wird dort dann etwa nur »Alserbachstraße« ausgegeben, damit die Verwirrung komplett ist. Auf modernen Monitoren oder ganz unmodernem Papier könnte man zwar lange Namen beliebig klein darstellen, damit sie in die Zeile passen, aber wenn man sie dann mit Lupe oder Fernglas lesen muss, macht das auch nur wenig Freude.

Ein besonders schlechtes Beispiel sind die beiden U-Bahn-Stationen »Südtiroler Platz« und »Hauptbahnhof«. Diese vermeintlichen zwei Stationen sind nämlich in Wahrheit ein und dieselbe. Weil aber der gesamte Textwulst nicht auf ein einzelnes Schild passt, ist die entsprechende Station abwechselnd auf einem Schild als »Südtiroler Platz« und am nächsten als »Hauptbahnhof« angeschrieben. Wer zum Hauptbahnhof will und beim Blick aus dem Fenster nur den Südtiroler Platz sieht, sollte also besser vorab schon gut informiert sein.

Stationsschilder in der U-Bahn: »Südtiroler Platz« und »Hauptbahnhof«
Links die Station »Südtiroler Platz«, rechts die Station »Hauptbahnhof«. In Wahrheit wurden die Fotos nur wenige Meter nebeneinander aufgenommen, denn es handelt sich um ein und dieselbe U-Bahn-Station.

Es ist kompliziert

Wahrscheinlich klingt alles, was ich schreibe, nach Binsenweisheiten. Warum gibt es dann so schlecht benannte Haltestellen? Sind die Leute in der entsprechenden Verantwortung so inkompetent? Nein, keineswegs!

Links Fahrplan mit fünf Stationen entlang einer Geraden, rechts komplexer Netzplan mit mehr als zehn Linien im selben Gebiet.
Links ein Ausschnitt aus dem Fahrplan der Straßenbahnlinie 37, rechts der gleiche Ausschnitt im Gesamtnetzplan. Ein geschultes Auge erkennt in dieser Gegenüberstellung möglicherweise einen gewissen Anstieg der Komplexität.

Man muss beachten, dass das gesamte Verkehrsnetz in Wahrheit sehr komplex ist. Schaut man sich nur die Stationen einer einzelnen Linie an, kann man leicht große Töne spucken, aber gerade Wien hat ein sehr dichtes öffentliches Verkehrsnetz und da müssen die Haltestellenbezeichnungen auch zwischen den Linien abgeglichen werden. Das bedeutet vor allem:

  • Linien, die ungefähr am gleichen Ort halten, sollten auch den gleichen Haltestellennamen verwenden. An der Nußdorfer Straße befindet sich etwa auch eine U-Bahn-Station und aus Sicht dieser U-Bahn ist die Station »Nußdorfer Straße« unzweideutig als Querstraße benannt. Man könnte die Straßenbahnstation auch »Latschkagasse« nennen, aber dann müsste man je nachdem, in welche Richtung man fährt, einmal bei »Nußdorfer Straße« und einmal bei »Latschkagasse« umsteigen, obwohl beides den selben Ort bezeichnet. Aus Sicht der U-Bahn wiederum ist die Latschkagasse zu klein und unbedeutend, um sie als prägnanten Stationsnamen zu verwenden.
  • Linien, die nicht am gleichen Ort halten, sollen auch nicht den gleichen Haltestellennamen verwenden. Damit kann man nicht einfach jede beliebige Querstraße als Namen verwenden – immerhin kann es sein, dass am anderen Ende dieser Straße bereits eine ganz andere Station danach benannt ist. Dort würden sich dann Leute Umsteigmöglichkeiten erwarten, die ohne Stadtwanderung gar nicht vorhanden sind.
Autobushaltestelle »Glatzgasse« und gleich nebenan auf einer Verkehrsinsel die Straßenbahn-Haltestelle »Nußdorfer Straße«.
Wer bei der Autobus-Haltestelle »Glatzgasse« aussteigt, muss zum Erreichen der Straßenbahnstation »Nußdorfer Straße« einen langwierigen Fußmarsch von rund zehn Metern auf sich nehmen.

Es ist in Veränderung

Noch einmal erschwerend kommt hinzu, dass die Stadt sich laufend verändert. Der Wiener Hauptbahnhof ist erst vor wenigen Jahren in Betrieb genommen worden, aber die U-Bahn-Station »Südtiroler Platz« gab es schon davor. Vielleicht ist die derzeitige Doppelbenennung also nur eine Übergangslösung, um niemanden vor den Kopf zu stoßen.

Erst 2017 hatten die Wiener Linien stolz rund 40 Haltestellen umbenannt, um die Namen zu vereinheitlichen, zu kürzen und klarer zu machen. Da bleibt nur zu hoffen, dass sie sich bei der nächsten Umbenennungsrunde zumindest der Nußdorfer Straße annehmen.

Kommentare

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Tony T, 2018-08-29 23:36:

Beifall!! Das Thema beschäftigt mich als Öffi-Liebhaber und Verehrer durchdachter Systeme auch immer wieder. Der Wille zur Besserung scheint da zu sein (jedenfalls hat auch die unsägliche Philadelphiabrücke mittlerweile einen zweiten Namen), aber es gibt noch viel zu tun, wie deine Beispiele sehr gut zeigen! Auch Doppelbenennungen sind, wie beschrieben, ein Unding. Ist mir heut Früh in Norwegen passiert: Am Netzplan war meine Station mit "Tromso Lufthavn" bezeichnet, im Bus dann die Anzeige "Flypassen". Zum Glück haben meine "Norwegischkenntnisse" ausgereicht^^

Bisherige Kommentare

  • Tony T

    Beifall!! Das Thema beschäftigt mich als Öffi-Liebhaber und Verehrer durchdachter Systeme auch immer wieder. Der Wille zur Besserung scheint da zu sein (jedenfalls hat auch die unsägliche Philadelphiabrücke mittlerweile einen zweiten Namen), aber es gibt noch viel zu tun, wie deine Beispiele sehr gut zeigen! Auch Doppelbenennungen sind, wie beschrieben, ein Unding. Ist mir heut Früh in Norwegen passiert: Am Netzplan war meine Station mit "Tromso Lufthavn" bezeichnet, im Bus dann die Anzeige "Flypassen". Zum Glück haben meine "Norwegischkenntnisse" ausgereicht^^

    • Michael Treml (Seitenbetreiber)

      Antwort an Tony T:

      Ui, das mit Lufthavn und Flypassen klingt wirklich gemein. Mit ein bisschen Fantasie kann ich da zwar auch einen Zusammenhang erkennen, aber in der konkreten Situation hätte ich Flypassen wohl eher für einen Ortsnamen gehalten.

      Bei der U-Bahn-Station Philadelphiabrücke bin ich die letzten zwölf Jahre ausgestiegen, um in die Arbeit zu kommen. Erst bei den Recherchen zu diesem Artikel, ist mir bewusst geworden, dass die offenbar schon lange nicht mehr so heißt und auch nirgends mehr so angeschrieben ist. Der Übergang war offenbar so schleichend, dass er mir gar nicht aufgefallen ist. :-)