Schreibst Du E-Mails für Empfänger oder für Dich selbst?

Die Überschrift klingt nach einer ziemlich dummen Frage. Aber versetzt Du Dich beim Schreiben einer E-Mail wirklich in den Empfänger hinein? Falls nicht, könntest Du schon an einem sinnvollen Betreff scheitern.

Brief an Michael Treml

Für die Entwicklung benutzerfreundlicher Programme gibt es den Leitsatz: Du bist nicht der Nutzer. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Du als Entwickler einen anderen Zugang zu Deiner Schöpfung hast als ein potenzieller Nutzer. Wenn etwa ich als 30-jähriger Akademiker ein Lernprogramm für Fünfjährige entwickle, werde ich das trotz meiner eigenen Lerngewohnheiten nicht wie einen Universitätskurs aufziehen können, sondern muss mich in die Zielgruppe hineinversetzen.

Dabei geht es nicht nur um unterschiedliche Kompetenzen, sondern auch um Erwartungen und Gewohnheiten. Ein Fünfjähriger kann mit Text und Diagrammen natürlich nicht viel anfangen, wenn er noch nicht gelernt hat, diese zu lesen – aber auch Bilder müssen zielgruppengerecht gestaltet sein. Wenn Kinder aus dem Fernsehen lustige, bunte Figuren gewohnt sind, wird man sie mit biederen Bleistiftskizzen nicht ansprechen können.

Eine ähnliche Denkweise sollten wir auch beim Schreiben von E-Mails anwenden. Denn unsere Erwartungen und Gewohnheiten unterscheiden sich auch hier oft signifikant von jenen unseres indirekten Gegenübers.

Was ist ein aussagekräftiger Betreff?

Es sollte sich herumgesprochen haben, dass schon der Betreff einer E-Mail aussagekräftig sein soll. Damit sieht der Empfänger auf den ersten Blick, worum es geht. Wie gesagt: Es SOLLTE sich herumgesprochen haben, hat es aber offenbar nicht. In einem privaten E-Mail-Ordner habe ich etwa Mitteilungen mit den Betreffen »Hallo«, »2015« und »Tomaten«.

Beruflich hatte ich in den letzten Jahren immer wieder mit Excel-Listen zu tun, die von Kunden per E-Mail übermittelt wurden. Da kam es schon mal vor, dass drei E-Mails in meinem Posteingang lagen, die alle aussagekräftige Namen wie »Liste« oder »Daten« hatten. In den meisten Fällen kamen diese E-Mails auch nicht direkt von den Kunden zu mir, sondern wurden mir intern von Kollegen weitergeleitet. Damit war nicht nur der Betreff, sondern auch der Absender recht inhaltslos. Klar wird man in so einem Fall nach dem Öffnen der E-Mail schlauer, aber wenn man sich mal schnell einen Überblick verschaffen oder eine bestimmte Nachricht irgendwann wieder finden will, ist man ziemlich aufgeschmissen.

Wenn ich das so schreibe, klingt es wahrscheinlich selbstverständlich, dass solche Betreffe schlecht sind. Aber jetzt fasse Dir mal an die eigene Nase und schaue in Deinem E-Mail-Programm nach, was Du im Lauf der Zeit so versendet hast! Sofern man nicht nur einmal im Jahr ein paar Weihnachtsgrüße versendet, findet man da vermutlich fast immer den einen oder anderen Betreff mit Verbesserungspotenzial. Ist da vielleicht einmal eine Nachricht an irgendeinen Dienstleister gegangen? Irgendeine Frage, ein Antrag oder ein Ansuchen an eine größere Firma?

Ich gehe davon aus, dass in Support-Abteilungen von Konzernen täglich unzählige E-Mails mit Bezeichnungen wie »Frage« oder »Anfrage« eingehen. Aus Empfängersicht ziemlich dämlich, aber aus Perspektive der Verfasser durchaus nachvollziehbar.

Wenn ich etwa eine Frage zum öffentlichen Verkehr habe und deshalb an die Wiener Linien schreibe, ist aus meiner persönlichen Sicht der Betreff »Frage« vollkommen ausreichend – immerhin bin ich kein Psychopath, der die Wiener Linien täglich mit 20 Fragen löchert. Wenn ich dann unter »Gesendet« genau eine E-Mail an eine Adresse der Wiener Linien mit dem Betreff »Frage« habe, weiß ich genau, worum es da geht. Nur habe ich dann komplett ignoriert, dass die Welt aus Empfängersicht anders aussieht. Mit ein wenig Empathie wird dann aus »Frage« vielleicht so etwas wie »Techn. Problem bei Jahreskartenverlängerung (KD-Nr. 123456)«.

Zusammenfassend sollte man sich also bei der Formulierung des Betreffs folgende Fragen stellen:

  • Wer ist der Empfänger? Was weiß er, was erwartet er und was ist er gewohnt?
  • Empfängt er die E-Mail direkt oder ist davon auszugehen, dass sie ihm weitergeleitet wird?
  • Wie viele ähnliche E-Mails bearbeitet der Empfänger?
  • Welche Daten hat die eigene E-Mail nicht mit ähnlichen Mitteilungen gemeinsam? (Das ist die wesentliche Information, die man betonen sollte.)

Das Leben nach dem Betreff

Wie man seine Nachricht nach dem Betreff fortsetzt, ist dann stark von Inhalt und Kontext abhängig. Diskutiert man mit einem Schriftsteller über Immanuel Kants kategorischen Imperativ, sieht die E-Mail in der Regel anders aus als wenn man sich mit einem Saufkumpel verabredet.

Aus eigener Erfahrung würde ich aber für die meisten Fälle empfehlen, die wichtigsten Informationen möglichst an den Anfang zu stellen. Selbst in meinem Studium – man sollte ja meinen, dass Studenten mehr als nur das Micky-Maus-Magazin lesen können – hatte ich Kollegen, die man mit Fakten überraschen konnte, die in einer zuvor erhaltenen E-Mail erst nach den ersten vier Zeilen zur Sprache gekommen waren. Auch bei einer Support-Anfrage wird man Dir dankbar sein, wenn Du Deine eigentliche Frage nicht als letzten Satz an eine wissenschaftliche Abhandlung anhängst.

Ausschweifende E-Mail mit unklarem Betrefff
Worst-Case-Szenario: Der Empfänger müsste sich durch einen literarischen Erguss quälen, um die tatsächliche Frage zu finden.

Eventuell hat der Empfänger auch ein E-Mail-Programm, in dem in der Übersicht nicht nur der Betreff, sondern auch die ersten Zeilen der Nachricht angezeigt werden. Dann ist es recht ineffizient, wenn dieser Platz mit der Geschichte von Adam und Eva gefüllt wird.

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